Copyright:  Gerd Rasquin  -  März 2010, aktualisiert im November 2020

 

 

 

 

 

 

 

 

Derby-Lichtspiele

 

Seit dem 2. Dezember 1932 gab es in einem von der Straße nicht einsehbaren großen Gebäude mit Spitzdach, das parallel zur Häuserfront am Bauerberg Nr. 2, 4 und 6 lag, Horns erstes Kino. Man betrat es rechts von Nr. 2 durch eine große Tür und überdachtem Gang. Bis dato hatte das Gebäude dem Grundeigentümer Hoops als zweiter Festsaal seines Gasthofs gedient, den Kinobetreiber Fritz Rose nun mit 420 Sitzplätzen ausstatten ließ. Die schon vorhandene Bühne war mit acht Quadratmetern allerdings etwas zu klein für einige artistische Darbietungen im seinerzeit üblichen Vorprogramm. Mit dem deutsch-österreichischen Spielfilm "Sehnsucht 202" war das "DELI" eröffnet worden. Von Anfang an war es sehr beliebt. Sonntags gab es für drei Groschen auch immer ein Kinderprogramm, wie Heinz Starke (19292016) aus der Jedermanngruppe des Horner TV einst berichten konnte. Am 28. Juli 1943 vernichteten Brandbomben das gesamte Areal. Erst 1949 wurden in der Aula der benachbarten Pachthofschule wieder Filme gezeigt.

 

Unter Leitung des Architekten Richard Fromm war auf den Grundmauern des im Krieg zerstörten Hauptgebäudes des historischen Großen Pachthofs ein Gebäude entstanden, das dem ehemaligen stilistisch ähneln sollte. Es waren Horns zweite "Derby-Lichtspiele", am 7. Dezember 1951 mit dem Spielfilm "Mutter sein dagegen sehr" feierlich eröffnet. Theaterbesitzer Fritz Rose wurde an diesem Tag zum Ehrenmitglied des Landesverbandes Hamburg ernannt.

 

In ihrem neuen "DELI" haben die Menschen der Nachkriegszeit geweint und gelacht. Hier entstanden Sehnsüchte nach einer heilen Welt und "Bella Italia". Bei den Jüngsten beliebt war die allsonntägliche Kindervorstellung. Fünf Groschen kostete der Eintritt, doch manchmal stand auch "Ausverkauft" an den beiden Eingangstüren. Nach dem Kino ging’s schnell noch ein paar Meter Richtung Horner Landstraße, wo seit 1952 links das Eis-Café "Onkel Otto" lag. Einen Groschen bezahlte man damals noch für die Kugel, doch die Auswahl war bescheiden: Vanille, Zitrone, Erdbeere, Nuss oder Schokolade.

 

Mit Ausbreitung des Fernsehens begann Ende der 1950er Jahre das "Kinosterben". Als 1963 mit dem ZDF noch ein weiteres TV-Programm hinzukam, wurde es für die Kinos in Wohngebieten immer bedrohlicher, denn diese sogenannten Nachspieltheater konnten Filme erst dann leihen, wenn sie für die Premierentheater in der City unrentabel geworden waren. Anfang der 1960er Jahre begann auch die Zeit der Supermarkt- und Warenhausketten. Da diese kapitalstarken Firmen ähnliche Ansprüche an die Architektur stellten wie Lichtspielhäuser, überboten sie einfach die Pachtpreise der Kinobetreiber.

Nachdem am 30. April 1964 (Donnerstag) mit der us-amerikanischen Kriminalkomödie "Charade" der letzte Spielfilm lief, ließ die Supermarktkette "Safeway" die Kinoräume noch im selben Jahr zu einem Selbstbedienungsgeschäft mit dem Namen "Big Bär" (Big Bear Bazaar) umbauen. Später folgten die Lebensmittelketten "PRO", "BOLLE" und seit 1999 bis heute "Penny-Markt". Im Jahre 2021 wurde das große Gebäude abgebrochen, zugunsten des Pflegeheims von nebenan.

 

Anmerkung: Die Spielfilme "Tabarin" und "Ich kann nicht länger schweigen" liefen vom 8.–11. August 1958 bzw. 10.–13. Juli 1962.

 

 


Rio

 

Auf dem Grundeigentum der Witwe Frieda Schnack war 1957 ein einstöckiges Geschäftsgebäude nebst großem Saal mit 680 Sitzplätzen nach Plänen der Architekten "Sottorf & Richter" entstanden. Bereits am 1. August konnte Johannes Betzel sein neues Kino mit dem im selben Jahr gedrehten deutschen Spielfilm "Das Mädchen ohne Pyjama" feierlich eröffnen. Besonderheiten waren die Cinemascope-Leinwand und der künstlerisch gestaltete Bühnenvorhang mit einer Luftansicht von Rio de Janeiro. Immer wenn die Glühlämpchen auf diesem Vorhang heruntergedimmt wurden, begann das Programm. Schon 1962 aber fiel das "Rio" dem sogenannten "Kinosterben" zum Opfer. Nach der Abendvorstellung des italienisch-französischen Spielfilms "Jessica" am 12. August schloss das hübsche Kino für immer. Wie bei allen Lichtspielhäusern waren die großen Säle aber bestens geeignet für die sich immer mehr breitmachenden Supermärkte. So eröffnete hier am 11. Januar 1963 die Berliner Meierei "Bolle" eine Filiale ihrer Lebensmittelkette. Die letzten beiden Supermärkte waren um 2003 "GRANDE" und seit 2006 der "FERR0-MARKT", die hauptsächlich russische Lebensmittel anboten.

Neben dem Kinoeingang gab es anfangs drei Ladenbereiche. Links zog das Fachgeschäft "Radio Baule" ein, rechts bot Fritz Schlüter bis 1967 Textilwaren an, und neben ihm eröffnete Gastwirt Herbert Erler sein Lokal "Rio-Eck". Im Januar 2012 wurde der Gesamtkomplex abgebrochen, um ein vierstöckiges Gebäude mit 46 Mietwohnungen errichten zu können, das 2013 bezugsfertig wurde.

 

Anmerkung: Die "Filmtheaterbetriebe GmbH Johannes Betzel" besaßen schon vor dem "RIO" zahlreiche Kinos, wie z.B. das "AKI" (Aktualitäten-Kino am Hauptbahnhof) oder "HOLI" (Hochhaus Lichtspiele in der Schlankreye Nr. 69). Nach dem Krieg war Betzel zu einer bekannten Persönlichkeit der deutschen Kinolandschaft geworden, saß sogar im Preisgericht der "Berlinale 1951".