Copyright: Gerd Rasquin - 22. Oktober 2009, aktualisiert im Juni
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Nachdem die
Gletscher der letzten Eiszeit auf der Linie Rahlstedt–Stemwarde–Grande zum Stehen gekommen
waren, schmolzen sie vor etwa elftausend Jahren ab und hinterließen bis zum
Rande des Elbe-Urstromtals ein ebenes, ewig feuchtes Gebiet. Auf der Geest muss
man selbst heute noch nur einen Meter tief graben, um auf feinen weißen Sand zu
stoßen, wie man ihn an der Ostsee findet.
Wenn der
Teich auf der Flurkarte von 1751 also noch nicht eingezeichnet war, wohl jedoch
auf der Dorfkarte von 1826, dann muss in diesen 75 Jahren etwas geschehen sein,
was nicht die Natur zu verantworten hat. Sehr wahrscheinlich war es 1780 die
öffentliche Verlosung großer Teile der Gemein(de)weide an alle berechtigten Höfner und Kätner. Die wollten auf ihren neuen Äckern
selbstverständlich ernten, doch im Bereich um den heutigen Moorteich war Anbau
nicht möglich, weil alles sehr feucht war und oft unter Wasser stand, was die
Flurkarte von 1751 beweist. Deshalb ließ die Dorfgemeinschaft gleich am
Südostrand der verlosten Flurstücke große Erdmengen ausheben, damit sich das
Wasser der Umgebung in der entstandenen Kuhle sammeln konnte. Bald darauf war
Horns größter Teich entstanden, den man im Dorf nur noch als "Horner
Moor" bezeichnete. Nach und nach wurden auch Fische ausgesetzt, der
Moorteich sogar verpachtet, u.a. 1893 an den Gastwirt Ferdinand Langhein vom
Bauerberg Nr. 67. Als Grundeigentümer Saalfeld seinen Fischteich neben der
Horner Blutbuche verkleinern wollte, schenkte er Langhein die Fische. Johannes
("Hannes") Bargmann, seit 1899 Gastwirt am Hermannstal, erhielt den
Auftrag, sie in zwei Waschbottichen zum Horner Moor zu schaffen. So entstanden
zur Freude der Angler viele neue Fischgenerationen, deren Nachkommen noch heute
den Moorteich bevölkern.
Bereits Ende
des 19. Jahrhunderts hatte der Horner Bürgerverein mehrmals auf die
Notwendigkeit einer Badeanstalt in Horn hingewiesen, doch alle Gesuche an die
Bau-Deputation blieben erfolglos. Um wenigstens etwas zu erreichen, wurde am 2.
März 1901 beschlossen, die Trennung von Schwimmer- und Nichtschwimmerbereich zu
beantragen. Außerdem schlug man vor, einen Veteranen (Pensionär) zu bestellen,
der für Sauberkeit und Ordnung sorgen sollte. Nachdem der Senat der
Bürgerschaft mitgeteilt hatte, dass in einem Brief vom 27. September 1907 die "Einrichtung einer Badegelegenheit im
Horner Moor" beantragt worden war, unterstützte man dieses Vorhaben.
Nach Prüfung der Wasserqualität entstand schon im Sommer des folgenden Jahres
der "Badeplatz Horner Moor", bestehend aus der westlichen Hälfte des
Teichs und einer offenen Umkleidehalle. Im ersten Jahr zählte man 91.000
Besucher. Leider jedoch durfte im Winter nicht Schlittschuh gelaufen werden,
weil der See verpachtet war und von Brauereien etc. abgeeist wurde.
Im Jahre 1911
erhielt die kleine Zufahrtstraße zum Badeplatz Kopfsteinpflaster und noch im
selben Jahr hob man den an der Westseite verlaufenden "Weg Nr. 75"
auf. Gleichzeitig entstanden Betriebsräume, eine Futtermauer, eine überdachte
Planke sowie einen Laufsteg mit kleinem Aussichtsturm, der den
Nichtschwimmerbereich vom Schwimmerbereich teilte. Im Sommer 1914 gab's dann
sogar noch ein Drei-Meter-Sprungbrett, das sich auf einem Schwimmponton am
Rande des Schwimmerbereichs befand. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs
kamen im Sommer 1914 noch 168.800 Badegäste, in den Jahren danach aber jährlich
nur noch etwa 66.000. Zwei Jahre nach Kriegsende kamen wieder 220.800 Besucher,
davon 192.900 männliche und 27.900 weibliche.
Im Frühjahr
1919 war der Elektrotechniker Heinrich Friedrich Wilhelm Beyerbach (27.10.1887−7.1.1972)
mit Ehefrau Dora Müller von der Rönnhaidstraße Nr. 26 ins Erdgeschoss des
vierstöckigen Wohnhauses am Hermannstal Nr. 67 gezogen. Vermutlich hatte er die
Hoffnung auf steigende Besucherzahlen nach dem Krieg und verband diesen
Gedanken mit "Trinkhalle und Verkaufspavillon" für die Badegäste.
Grundeigentümer Jacob Wilhelm Krogmann genehmigte sein Vorhaben und so entstand
noch im Mai für 1.400 Mark ein 5 x 3,50 Meter großes Häuschen mit rotem
Ziegeldach, brauner Verschalung, grünen Ständern und weißen Fenstern. An
schönen Sommertagen war dieses gemütliche Plätzchen dann sehr beliebt. 1921
durfte der Gärtner Emil Bressel ein 10 x 6 Meter großes Haus an die Trinkhalle
anbauen, das als Notwohnung und Lagerraum diente. Im Jahr darauf ließ Beyerbach
zwei weitere Räume zu Wohnzwecken anbauen und das gesamte Objekt von der
Baupolizeibehörde als provisorisches Wohnhaus genehmigen, in das er auch gleich
einzog. Im März 1926 wurde für 1.500 Mark eine 4 x 4 Meter große Gaststube
angebaut. "Zum kleinen Kurhaus" hieß jetzt das am "Weg Nr.
41" liegende Sommerlokal, allerdings ohne Hausnummer. Sogar eine Postkarte
ließ Beyerbach herstellen, der hier erstmals im Adressbuch von 1928 vermerkt
ist (seit 1925 nur als "Aufseher"). Zuletzt steht Beyerbach 1939 im
AB. Seit er in jenem Jahr in den Krieg zog, blieb das Lokal unbewirtschaftet
und taucht erst wieder im AB 1947 auf. Der nunmehr 60-jährige Wilhelm Beyerbach
hatte es wohl gleich nach Kriegsende wieder zum Leben erweckt und erst 1953 an
Willi Hartung übergeben. Das "Kleine Kurhaus" besaß mittlerweile die
zur Manshardtstraße gehörende Hausnummer 66. Der jetzt als Rentner lebende
Beyerbach selbst hatte 1954 die Gaststätte von Maria Schwedt
an der Hammer Landstraße Nr. 251 übernommen, doch bereits 1957 an Herbert
Knappe übergeben. Im selben Jahr war er ins Erdgeschoss eines neuerrichteten
dreistöckigen Mehrfamilienhauses am Alten Bauerberg Nr. 4 gezogen. Seine
Wohnung soll ein kleines Museum gewesen sein, denn Beyerberg hatte vieles über
Horn zusammengetragen.
Das
"Kleine Kurhaus" hatte schon 1955 Bernhard Sturm übernommen, der
vorher eine Gastwirtschaft an der Straße "Hohe Brücke" Nr. 4 besessen
hatte. Im Jahre 1968 übernahm Grete Sturm das Lokal am Horner Moor und führte
es noch in den 1970er Jahren. Nach weiteren Wirtswechseln schrieb ein Besucher
am 3. Juni 2008: „Kleine gemütliche
deutsche Kneipe im Stil der 1950er Jahre mit nettem Biergarten. Noch bis zum
letzten Jahr war hier alles sehr verwildert und heruntergekommen, doch in
diesem Jahr haben sie es recht schön hergerichtet. Oft sitzen dort die Anwohner
bei einem kleinen Bierchen zusammen. Der Küchenbetrieb ist nur für kleinere
Speisen gedacht, dafür aber wird im Sommer bei gutem Wetter oft gegrillt.
Sonntagmittags gibt es dort auch Kaffee und Kuchen. Die Preise sind so fair,
dass man sich auch mal ein oder zwei Getränke mehr leisten kann.‟
Nachdem der deutsche Wirt das Lokal aufgegeben hatte, kam es im Januar 2009 in
die Hände des Bosniers Tihomir Vidović, der es noch heute als "Balkan
Grill Haus" betreibt.
Doch zurück zum
Horner Moor: Auch in den 1920er Jahren wurde noch getrennt gebadet, immer im
täglichen Wechsel morgens für männliche und nachmittags für weibliche
Badegäste. Nur sonntags durfte sich hier die ganze Familie vergnügen!
Öffentlich und auf Karten hieß es übrigens immer "Badeplatz Horner
Moor". Die Bezeichnung "Badeanstalt" setzte sich erst nach 1945
durch. In den 1950er Jahren erlebte das "Horner Moor" noch einmal
eine Blütezeit. Viele schöne Sommer und ein kinderreiches großes Einzugsgebiet
sorgten an heißen Tagen für lange Schlangen vor dem Kassenhäuschen.
Hygienisch
gesehen war das Wasser von bester Qualität. Dafür sorgten tausende von
"Moorlieschen", kleine Fische, die sich gierig auf jeden Tropfen
stürzten, der so manchem entrann. Das Moor war früher für Angler interessant,
heute jedoch gehen fast nur noch die grätenreichen kleinen Rotaugen an den
Haken. Sie sind zwar gute Köderfische, doch Hechte sind selten geworden. Werner
Badenschier (Jahrgang 1917), der im Hermannstal seine Kindheit verbrachte, erinnert
sich an den Fang eines riesigen Aals. Der wurde anschließend jedoch nicht
verzehrt, sondern präpariert. Jahrelang hing er in der Gaststube des Kleinen
Kurhauses, bis ihn Wilhelm Beyerbach bei Übergabe des Lokals 1953 als Souvenir
mitnahm.
Mitte der
1970er Jahre begann die Zeit der Erlebnisbäder, allen voran das Aschbergbad in
Hamm. Immer weniger Menschen zog es nun zum kühlen Moorwasser. Vor allem Kinder
blieben weg und an Wochenenden folglich auch die Familien. Nach der Badesaison
1980 wurde das Freibad für immer geschlossen, die Schließung im April 1981 vom
Bezirksamt genehmigt.
Nach Umbau
zur Parkanlage zeugt lediglich ein Teil der einstigen Umgrenzungsmauer vom
alten "Badeplatz Horner Moor" ...und natürlich der jetzt etwas
kleinere See. Es ist immer noch schön hier!