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Gerd Rasquin - erstellt im Juli 2005, komplett überarbeitet
im Februar 2016
ehemals Fischerstraße
Zwischen dem Horner Weg und Blohm’s Park lag seit alten Zeiten
der "Große Kamp", das zentrale Ackerland des Dorfes, im Norden und
Westen von Bäumen umsäumt. Das dokumentiert erstmals eine Flurkarte von 1751,
auf der dreizehn von Nord nach Süd verlaufende Flurstücke unterschiedlicher
Eigentümer zu sehen sind. Um 1826 gehörten die drei am westlichen Rand
liegenden dem Vollhufner Hermann Jacob Lübbers. Ein 180 Meter langer schmaler
Feldweg trennte sein Ackerland von der dorfeigenen Bullenkoppel. Die Bebauung
des Horner Weg seit 1844 verkleinerte nach und nach den Großen Kamp, dessen
Flurstücke bald Nummern erhielten, was die Dorfkarte von 1868 bestätigt. Die
drei von Lübbers wurden unter der Nummer 234 zusammengefasst. Wann genau der
Buchdrucker Carl H.A. Fischer dieses Flurstück erwarb ist nicht bekannt. Wir
erfahren seinen Namen erstmals im Hamburger Adressbuch (AB) von 1848, als er an
der Landstraße Nr. 6 wohnte. später aber in Hamburg. Mit der Absicht, sein noch
brachliegendes Grundstück aufzuwerten, ließ er den Feldweg verbreitern und
befestigen. Am 22. Juli 1869 hatte die Deputation dann auch eine Baulinie
auferlegt. Obwohl Fischer im selben Jahr verstorben war, sprach man in Horn
fortan nur noch respektvoll von der "Fischerstraße". Sogar das Ab
vermerkte sie erstmals 1871, allerdings noch ohne Bewohner.
Von 1871–1894 gab es lediglich die Hausnummern 1 und 3 (bis 1876
auch nur in den Personenverzeichnissen der AB). Erst nachdem weitere Gebäude
errichtet worden waren sah man sich gezwungen, die Straße ab dem 4. August mit
neuen und zahlreicheren Nummern zu versorgen. Am Horner Weg begann man mit der
Nr. 1 und ließ die Straße mit der alten Villa enden, der man die Nummer 33
erteilte. Zum 20. Todestag von Ernst Adolph Moraht (27.10.1833‒20.10.1879)
wurde die Fischerstraße am 20. Oktober 1899 nach seinem Namen benannt, auch
weil auf Initiative des seit 1859 für Horn zuständigen Pastors im Jahre 1876 an
der Straße ein Gebäude mit kleinen Räumen für arme Leute entstanden war, die
sogenannten "Gotteswohnungen".
1911 übernahm Hamburg die einstige Privatstraße und ließ sie
pflastern. Zur gleichen Zeit entstand auf westlicher Seite, dem staatseigenen
Teil der ehemaligen Bullenkoppel, eine große Schule (siehe unten).
Viele im Zweiten Weltkrieg zerstörten Gebäude wurden nicht wieder
aufgebaut. Die enttrümmerten Grundstücke nutzten gelegentlich Familienzirkusse
oder Schausteller. Im Jahre 1962 hob man die Straße auf, um ihren mittleren
Abschnitt für den dringend benötigten Schulsportplatz zu nutzen. Die einzigen
beiden Hauseingänge Nr. 1 und 3 gehörten nun zum Horner Weg Nr. 208 bzw. 206.
Südlich sollte bald die U-Bahnstrecke vom Rauhen Haus zur Horner Rennbahn
verlaufen, ein Projekt, das bereits in den 1930er Jahren geplant, jedoch erst
1960 beschlossen und dann zur Jahreswende 1966/67 verwirklicht werden konnte.
An Horns Pastor erinnert seit dem 16. Dezember 1964 nur noch der kleine
Geesthang-Fußweg "Morahtstieg", gleich neben der Eisenbahnbrücke,
doch schon zum Stadtteil Hamm gehörend.
Im Jahre 1871 verkaufte die Witwe des
1869 verstorbenen Buchdruckers Carl H.A. Fischer dieses bis dato brachliegende
Areal an August Gossmann, der hier eine Villa nebst Fabrikhalle zur Herstellung von
Sandstein-Papier errichten ließ, wie ein Grundrissplan vom März 1872
dokumentiert. Aus gesundheitlichen Gründen übergab er die Fabrik 1876 an
Johannes Huss und zog an die Maxstraße Nr. 12, wo im Jahr darauf verstarb. Huss
stand mit seiner Feuerstein-, Leinen- und Papierfabrik aber nur bis 1877 im AB.
Vermutlich war auch er verstorben, denn sein Name tauchte nie mehr in den AB
auf. Im Jahre 1879 erwarb August Gustav Carl Wilhelm Schultze das
Areal mit den vorhandenen Baulichkeiten. Er hatte bereits seit 1871 ein Kommissions- und
Agenturgeschäft am Fischmarkt Nr. 12 besessen und war zwei Jahre später an den
Hopfensack Nr. 7 gezogen, wo er eine Lagerhalle für Schleifpräparate in
Naxos-Schmirgel, Flintstein und Glas besaß, aus der 1878 eine Fabrik und
Handlung wurde. Seine Wohnung am Hühnerposten Nr. 21 gab er 1880 auf und wohnte
fortan in der Horner Villa gegenüber dem Grundstück des Kaufmanns Blohm.
An das Fabrikgebäude/Maschinenhaus (5,80
x 5,25 m) wurde 1891/92 ein Kesselhaus (10,20 x 5,25 x 4 m) mit einem 21 Meter
hohen Schornstein angebaut sowie ein massiver Lagerschuppen (7,48 x 4,48 x 4,10
m) errichtet. Heizer war Claus Heinrich Meyer (3.7.1854–1928), Bruder des
späteren Fabrikbesitzers, der an der Fischerstraße Nr. 1 in einer rückseitig
gelegenen Terrasse wohnte. Nachdem 1894 für 9.000 Mark ein Lagerhaus mit
"Comptoir" (14,24 x 11,24 x 7,50 m) entstanden war, wurde dem
Fabrikareal am 4. August die neue Hausnummer 27 und der Villa die Nr. 33
erteilt. Vorher lief alles unter der alten Hausnummer 3.
1899 erhielt das Fabrikgebäude einen
Anbau, die Villa ein 6 x 3,60 x 4 Meter großes Wein-Treibhaus und im Oktober
wurde die bisherige Fischerstraße in "Morahtstraße" umbenannt.
Nachdem der Fabrikgründer 1903 verstorben war, gehörte alles der Witwe. Obwohl
die Fabrik schon 25 Jahre existierte. wurde sie erst 1904 im Straßenverzeichnis
des AB erwähnt. In all den Jahren produzierte sie Kessel- und
Maschinenpackungen, rohen und präparierten Filz sowie präparierte Filzbandagen
für Dampfkessel- und Röhrenbekleidung, Stopfbüchsenpackungen,
Isolier-Materiali-en, Gummi-Platten und Dichtungsringe.
Erst 1909 fand sich mit Georg Meyer ein Käufer,
der die Fabrik weiterbetreiben wollte, doch schon 1915 verstarb er. Am 1. April
1918 ließ die Witwe ihre Fabrik mit der Hamburger Firma "Börner &
Comp." vereinigen. Sie hieß nun "A.W. Schultze, Horner Gummi- und
Asbest-Werke". Im selben Jahr hatte Hermann Wilhelm König das
Grundstück erworben, um mit seiner Treibriemen-Firma "Wilhelm König &
Co." von der Düppelstraße Nr. 50 nach Horn ziehen zu können. 1919
erhielten die Gummi- und Asbest-Werke ein neues Kontorgebäude, weil die
geplante Vergrößerung des Personalbestands bis auf vierzig Personen weitere
Sanitäreinrichtungen und Aufenthaltsräume erforderte. Auch der bauliche Zustand
der Lagerräume war schon so schlecht, dass sie abgebrochen werden mussten. Neue
Lagerräume wurden in den neuen Kontorbau mit einbezogen, ebenso wie zwei
Autogaragen für einen Lkw und Pkw. Die Unternehmensvergrößerung erforderte 1921
zusätzliche Lagerräume.
Im Jahre 1929 hatte Grundeigentümerin
Helene König (seit 1924 Witwe) das gesamte Areal an den Staat verkauft, der
Räume vermietete. Eine kleine Zeichnung dokumentiert, dass man die erste Etage
des Kontorgebäudes im Frühjahr 1934 für das "Deutsche Jungvolk"
ausbauen ließ. Seit 1936 gab es auf dem Grundstück auch eine Werkstatt des
Malermeisters Wilhelm Burchard und seit 1938 eine des Möbeltischlers Harald
Horlacher (vorher an der Weidenallee Nr. 52). In der Villa wohnten der Kaufmann
Walter Spardel und im ersten Stock die Witwe Meta Heidelberg mit ihrer
unverheirateten Tochter Margarete. Das gesamte Areal wurde am 28. Juli bei
einem Fliegerangriff zerstört. Für die Treibriemen-Firma war es das Ende ihrer
Existenz, doch "A.W. Schultze" hatte den Betrieb an der Deichstraße
Nr. 34 fortgesetzt und existiert noch heute unter selbem Namen an der
Mercatorstraße Nr. 10 in Geesthacht, spezialisiert auf Flachdichtungen.
1948 hatte die in Wilhelmsburg ansässige
Firma des Ingenieurs und Brunnenbaumeisters Franz Fabel das ehemalige
Firmengrundstück als Lagerplatz gemietet. Fabel wohnte aber erst seit 1953 in Horn
und zwar am Posteltsweg Nr. 12, seit 1957 dann am Horner Weg Nr. 268. Auf dem
Grundstück hatten sich seit 1951 auch die Betonwarenhändler Heinrich Geil und
Martin Meier niedergelassen. Letzterer blieb bis 1953, Geil bis 1954. Nachdem
die Morahtstraße mit Ablauf des Jahres 1962 aufgehoben worden war, behielt das
Grundstück zwar seine Hausnummer, doch gehörte es ab Jahresbeginn 1963 zur
Straße "Beim Rauhen Hause". Für den Bau der U-Bahn musste 1965 alles
weichen und Franz Fabel zog mit seiner Firma an die Meiendorfer Straße Nr. 12.
Diesen Blick hatte die 2b der Schule
Morahtstraße im Sommer 1917 aus ihrem Klassenzimmer. Links sieht man das
Kontorgebäude
und die Villa des Fabrikeigentümers,
rechts kleine Gärten. Alle Gebäude im Hintergrund gehören zum Parkareal der
Familie Blohm.
Grundrisskarte von 1881 sowie die gerade
fertiggestellte Volksschule Morahtstraße im Spätherbst 1912
Im Jahre 1911 übernahm Hamburg die einstige Privatstraße und ließ
sie pflastern. Zur gleichen Zeit wurde auf westlicher Seite, dem staatseigenen
Teil der ehemaligen Bullenkoppel, Horns zweite Schule mit Außenturnhalle
errichtet und am 14. Oktober 1912 eingeweiht. Die dreißigklassige Volksschule
(Morahtstraße Nr. 4 für Knaben, Rhiemsweg Nr. 6 für Mädchen) konnte den Krieg
fast unbeschadet überstehen, die Turnhalle jedoch nicht. Alle Häuser auf
östlicher Straßenseite wurden durch Bomben zerstört. Eins von ihnen war die
1911/12 errichtete "Morahtburg" mit den Eingängen Nr. 9 und 13 (Foto
rechts). In der Mitte konnte man durch einen Torweg zur Nr. 11, der noch
älteren Straßenbebauung gelangen.
Im Jahre 1917 vor der Morahtstraße Nr.
13: Auguste Maria Magdalena Rieckmann (24.9.1893–21.6.1969) mit
ihrem dreijährigen ersten Sohn Paul
Werner Rieckmann (21.4.1914–4.9.1988). Vater Gerhard Caesar Theodor
(10.3.1887–28.5.1952) ist noch bei der
Arbeit. Die Familie lebte hier bis zum 14. Juli 1929 und zog dann nach
Sasel. Bernd Ernst Herbert Rieckmann,
Sohn des kleinen Paul Werner, überließ mir freundlicherweise dieses
Foto. Er lebte noch 2012 in Ammersbek.
1965 wurde die Morahtstraße aufgehoben. Ihr mittlerer Abschnitt
und östliches Areal bildeten bald den dringend benötigten Schulsportplatz, und
im südlichen Teil verlief die schon im Bau befindliche U-Bahnstrecke vom Rauhen
Haus bis zur Horner Rennbahn, ein Projekt, das bereits seit dreißig Jahren
geplant, jedoch erst 1960 beschlossen und dann im Spätherbst 1966 verwirklicht
wurde. An Horns ersten Pastor Ernst Adolph Moraht (27.10.1833‒20.10.1879)
erinnert seit dem 16. Dezember 1964 nur noch der kleine Geesthang-Fußweg
"Morahtstieg" westlich der Güterumgehungsbahn.