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September 1999, letztmalig bearbeitet am 28. September 2020.
Wandsbecker Rennbahn im
Jahre 1841
Bereits
seit dem Mittelalter wurden in Gebieten des heutigen Deutschlands Pferderennen
abgehalten, doch meistens handelte es sich um sogenannte Feldumritte, höfische
Rennen oder Privatveranstaltungen. Jährliche Pferderennen richtete erst der
Rennverein Bad Doberan ab 1822 aus. Dann folgte Berlin, das am 18. Juni 1829
erste Rennen veranstaltete.
Pferderennen
in unserem nordelbischen Raum fanden erstmals am 18. und 20. Juli 1835 auf den
Feldern östlich des Wandsbecker Gehölzes statt (obige Lithografie von 1841).
Die einstige Rennbahn muss man sich heute auf dem Areal der Douaumont-Kaserne
am Holstenhofweg vorstellen. Die Tribünen fassten mehr als dreitausend
Zuschauer. Mit den politischen Wirren um 1848 endete alles. Nur eine
Rennbahnstraße erinnerte noch bis 1937 an die einstige Zeit. Nach dem
Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 musste sie umbenannt werden und heißt noch heute
"Bovestraße".
Anmerkungen:
Auf ausdrückliche Weisung des Stormarn’schen Landrats vom 12. September
1879, musste die preußische Stadt Wandsbeck auf das "c" in ihrem
Namen verzichten. 1946 wurden auch sämtliche auf …beck endenden
Ortsbezeichnungen in Hamburg abgeändert. - Als
Wandsbek, Altona, Bergedorf, Harburg etc. seit April 1937 zu Hamburg gehörten,
mussten für alle Straßen selben Namens Lösungen gefunden werden, und es durfte
folglich auch nur eine Rennbahnstraße geben. Verständlicherweise entschied man
sich nicht für Wandsbek sondern Horn.
1852: Am 23. Februar gründeten einige Herren den "Hamburg-Lokstedter Renn-Club", hier fortan HRC geschrieben. Die Bahn in Lokstedt erwies sich aber gleich als zu klein, sodass man nach einem geeigneteren Areal suchen musste. Nachdem nun der Herzog von Schleswig-Holstein-Augustenburg 1854 einen beachtlichen Preis für das nächste Rennen ausgesetzt hatte, beeilten sich die verantwortlichen "Sportsmen". Unweit der alten "Wandsbecker Rennbahn" erwarb man am 25. April 1855 die nicht mehr genutzte Horner Gemeindeweide und ließ sie noch im Frühling zu einer Galopp-Rennbahn ausbauen. Diese besaß einen Umfang von 3.000 Ellen (1 Elle = 62,6 cm) und erhielt eine 150 Fuß (49,97 m) breite Bahn. Bereits am 27. Juli konnte die "Horner Renncoppel" eingeweiht werden, startete um 16 Uhr das erste Pferderennen. Auch tags darauf und am Sonntag fanden Rennen statt. Bestes Pferd war "Koh-i-noor" (Berg des Lichts), von Baron Biel in Zierow gezogen. Es erhielt einen Preis von 100 Louis d’or, ausgesetzt vom Herzog von Schleswig-Holstein-Augustenburg. Der Hengst hatte schon im Jahr zuvor das Unions-Rennen in Berlin gewonnen.
Für
die ersten Renntage stand zwar schon eine bedeckte kleine Tribüne zur
Verfügung, doch bis zu den Rennen im nächsten Jahr war eine repräsentativere
fertig geworden. Für die Rennen 1873 hatte diese Holztribüne zwei baugleiche
Flügel mit zusätzlich 1.824 Plätzen erhalten, wie auf der Lithografie der
Derbytage von 1888 zu sehen. Anno 1856 war auch der Zeitpunkt gekommen, den
Stadtteil Lokstedt aus dem Namen zu nehmen und sich umzubenennen in
"Hamburger Renn-Club" (fortan HRC geschrieben). Ein Jahr später fand
das erste "Große Hamburger Jagdrennen" statt. Es führte über 5.650
Meter. Drei Jahre hintereinander siegte Leutnant Passow mit der irischen Stute
Jayne Eyre. Der sich traditionsreicher Rennen stets verpflichtet
fühlende HRC, hat zu allen Zeiten an dieser bedeutenden Hindernisprüfung
festgehalten, obwohl sich Titel und Distanzen im Laufe der Jahre oftmals
änderten. Von 1926–1930 hieß es beispielsweise
"Erinnerungs-Jagdrennen". Auch die Distanzen schwankten über die
Jahre, lagen zwischen 5.650 und 4.000 Metern.
1862: Erstmals "Großes Hamburger Handicap", bei dem zwölf Pferde
eine halbe Deutsche Meile (3.766 Meter) laufen mussten. Es siegte Eduard Moll’s
vierjähriger brauner Hengst "Guiding Star" unter Jockey Long.
Am
11. Juli 1869 fand das erste
Norddeutsche Derby statt. Mit schönen Karossen, eleganten Equipagen (Kutschen)
und in Kremsern* und fuhr man bei strahlend blauem Himmel nach Horn. Sieger
wurde "Investment", geritten vom englischen Jockey W. Little. Im
kleinen Feld von fünf Pferden wurde Rabulist Zweiter, dahinter kam Hamlet ins
Ziel. Der Derbypreis betrug 1.400 Taler.
*Außerhalb der Stadttore Berlins wurde
dem Fuhrunternehmer Simon Kremser im Jahre 1825 erlaubt, seine Pferdewagen für Stadtrundfahrten
und Ausflüge einsetzen zu dürfen. Sie wurden bald überall "Kremser"
genannt.
1870: Nachdem die Renntage immer mehr Volksfestcharakter bekamen ließ
HRC-Gründungsmitglied Eduard Moll eine kleine Bretterbude aufstellen:
Deutschlands erster Totalisator! Er wurde zur zusätzlichen Einnahmequelle für
die Veranstalter, zumal seinerzeit Frühlings-, Sommer- und Herbstrennen
stattfanden.
1873 hatte man die Tribüne um 1.824 Plätze erweitert und das alte Gebäude
auf dem Sattelplatz durch ein neues aus Holz ersetzt. Für die Derbytage 1874 stellte man dann zusätzlich einen
hölzernen Pavillon auf. Damen-Garderobe nebst "Closet" sowie ein
Büfett waren hier untergebracht. Am 20. und 21. September fanden weitere
Pferderennen statt.
1875 ließen die Verantwortlichen des Rennclubs am Weg nach Wandsbeck
(später Rennbahnstraße Nr. 101) eine "Trainier-Anstalt" nebst
Wohnhaus errichten. Das aus Erd- und Dachgeschoss bestehende Stallgebäude war
31,43 x 10,25 Meter groß und sieben Meter hoch. Im Erdgeschoss gab es 16
Pferdeboxen, im Dachgeschoss wurden Hafer und Stroh deponiert. Am 11. Juli fand das Deutsche Derby
statt und erstmals am Morgen desselben Tages ein sich zur Tradition
entwickelndes Ereignis: Das "Rennfrühstück" im kürzlich errichteten prächtigen
Palais des derzeit reichsten Hamburger Kaufmanns Heinrich Jacob Bernhard
von Ohlendorff. Es lag gleich nördlich des heutigen U-Bahnhofs
"Burgstraße". Ohlendorff war dem Derby sehr verbunden, zwischen 1878
und 1919 sogar Vorstands- und Ehrenmitglied des Hamburger Renn-Clubs.
1877: Der "Große Hamburger Ausgleich" durfte sich
"Jubiläums-Rennen" nennen, denn der HRC war 25 Jahre alt geworden.
1878: Ulysses Simpson Grant, 18. Präsident der USA von
1869‒1877, besuchte auf seiner zweieinhalb Jahre dauernden Weltreise auch
Hamburg. Am 5. Juli waren er und
seine Ehefrau Julia Gast beim reichen Kaufmann Heinrich Jacob Bernhard von
Ohlendorff in dessem Palais in Hamm, zusammen mit US-Konsul John Moulder Wilson
sowie weiteren in der Hansestadt lebenden Amerikanern und Ehrengästen. Nach
einer Rede General Grants dinierte man festlich. Am Nachmittag besuchten alle
die Horner Galopprennbahn, doch wegen starken Regens ließen sich die Grants bereits nach einem Rennen in ihr
Hamburger Hotel fahren. Bis zum Derbysonntag am 7. Juli konnten sie nicht
bleiben, da sie schon am 6. Juli in Kopenhagen erwartet wurden.
1880: Ein ungewöhnliches Rennpferd muss der in Dänemark gezogene
"Alexander" gewesen sein, der an den drei Tagen des Meetings sowohl
das "Große Hamburger Handicap" (3.800 m), das "Kleine
Handicap" (2.000 m) als auch das "Gyldensteen-Handicap" (1.400
m) gewann. Das Rennen war auch für Pferde aus dem Ausland offen. Besonders
erfolgreich waren die aus Österreich-Ungarn und Dänemark. Erst 1891 gewann mit
dem Hengst Sienit erstmals ein Pferd aus deutscher Zucht.
1886: Unmittelbar südlich der alten Tribüne wurde am 13. Juli eine 32,50
Meter lange Holztribüne mit 554 Sitzplätzen fertiggestellt. Dieses in weniger
als einem Monat auf massiven Unterpfeilern errichtete unbedachte Bauwerk
kostete 3.000 Mark. Es wurde auch "Fußgänger-Tribüne" genannt, blieb
allerdings nur wenige Jahre erhalten.
Der
HRC hat in der langen Geschichte des Derbys manchen Zugriff auf diese Prüfung
abwehren müssen. Schon in den 1880er Jahren gab es einflussreiche Leute, die
das bedeutendste deutsche Zuchtrennen lieber in der Hauptstadt Berlin
ausgetragen sehen wollten. Doch am Sonntag den 23. Juni 1889 fand in Hamburg
zum 21. Mal ein Derby statt, von jetzt an "Deutsches Derby" genannt.
Um diese Zeit hatte sich auch die Bezeichnung "Horner Rennbahn"
durchgesetzt, auch wenn viele immer noch von der "Renncoppel"
sprachen. Nach knapp vier Monaten Bauzeit war für 42.000 Mark auch rechtzeitig
ein neues "Directions-Gebäude" mit Aussichtsplattform und Musik-Pavillon
entstanden, wie auf dem Jahre später entstandenen Foto unten zu sehen. Neben
dem Directions-Raum gab es noch jeweils einen für Jockeys, Trainer, Gentlemen,
Waage, Casse, Presse, Post und Telegraphen sowie das Schiedsgericht. Für 20.000
Mark hatte man zudem ein neues Totalisator-Gebäude sowie ein Sattel- und
Stallgebäude errichten lassen. Letztlich war noch ein provisorisches hölzernes
Restaurationsgebäude entstanden, das man jedoch zwei Jahre später durch ein
neues aus Eisenteilen ersetzte.
1892: Nachdem das Wettverbot in Deutschland aufgehoben worden war (Wetten
galten zuvor als unmoralisch), entstand im Frühjahr für 25.840 Mark ein neues
Totalisator-Gebäude aus Eisenteilen. Es wurde direkt neben dem alten erbaut und
am 10. Juni fertig. Außerdem errichtete man für 9.000 Mark
"Auszahlungscassen" aus Eisenfachwerk. Am 24. Juni begannen die
Sommer-Rennen. Erstmalig wurde der "Große Hansa-Preis" ausgetragen,
das bedeutende Pferderennen zum Auftakt der Derby-Woche. Es siegte das Pferd
"Nickel" unter Jockey H. Barker.
1895: Der HRC ließ die Tribüne, auch "Schaubühne" genannt,
umbauen.
1902: Im Rahmen der Derbywoche vom 15.‒23. Juni feierte der HRC sein
50-jähriges Bestehen mit einem "Jubiläums-Meeting". Am 19. Juni
fanden vier Rennen statt: Das Jubiläums-Criterium (dotiert mit 40.000 Mark),
das Jubiläums-Handicap (30.000 Mark), der Jubiläums-Preis (100.000 Mark) und
das Jubiläums-Jagdrennen (30.000 Mark). Derbysieger am 22. Juni wurde
MacDonald, geritten von Jockey Fred Taral.
"Großer Hansa-Preis" am 17. Juni 1906: Hamburgs
Erster Bürgermeister Dr. Johann Heinrich Burchard begrüßt Kaiser Wilhelm II.
1903: Am 14., 19, 21. und 22. Juni fanden insgesamt 21 Rennen statt.
Erstmals besuchte auch Kaiser Wilhelm II. das Deutsche Derby am 21. Juni. Ob er
an diesem Sonntag aber allein aus Liebe zum Pferdesport nach Hamburg kam darf
wohl bezweifelt werden, denn Kaiser war er ja schon seit 15 Jahren. Warum sah
man ihn nicht im Jahr zuvor beim "Jubiläums-Meeting", als der HRC
sein 50-jähriges Bestehen feierte? Wilhelm II. war eben nicht so sehr dem
Pferdesport, sondern vielmehr der Marine zugeneigt. Er verband den Derby-Besuch
auch nur mit der Einweihung des Denkmals für seinen Großvater Wilhelm I. auf
dem Hamburger Rathausmarkt am Tag zuvor. Allerdings hatte ihn die Atmosphäre
auf der Horner Rennbahn wohl derart beeindruckt, dass er fortan alljährlich
kam, nicht mehr zum Derby, sondern zur Eröffnung der Rennwoche, wenn der Große
Hansa-Preis ausgetragen wurde. Im Jahre 1904 war es der 19. Juni. Dieser Tag
ist wie folgt dokumentiert: Ankunft des Kaiserpaares am Dammtor-Bahnhof um 8
Uhr, dann Fahrt zur Yacht "Hohenzollern", die schon im Hafen
liegt. Um 12 Uhr zum preussischen Gesandten an die Alte Rabenstraße, und
schließlich um 15 Uhr zur Horner Rennbahn. Um 17:15 Uhr wieder zum
Dammtor-Bahnhof, von wo aus die Kaiserin nach Plön reist, während sich der
Kaiser auf die "Hohenzollern" begibt, die um 19 Uhr elbabwärts zur
"Kieler Woche" fährt.
1905: Neben dem Großen Hansa-Preis fand am 18. Juni auch erstmals das
"Kaiserin-Auguste-Viktoria-Jagdrennen" statt, zuvor als
"Hamburger Jagdrennen für Offiziere" bezeichnet.
1906: Am 17. Juni schrieben die Hamburger Nachrichten u.a.: „Seit langem ist es Tradition, daß Kaiser Wilhelm II.
auf dem Wege zur Kieler Woche in der festlich geschmückten Hansestadt weilt, um
teilzunehmen am großen Pferdesportereignis in Horn. Wie an allen Kaisertagen
der letzten Jahre zogen am Sonntag Tausende und Abertausende zu der klassischen
Rennbahn. Mit Mann und Ross und Wagen
marschierte halb Hamburg die Wandsbecker Chaussee entlang und fauchende
Automoppels, klapprige Taxameter, elegante Equipagen und gelbe Käsewagen
machten die bunteste Reihe. Weiß ist große Mode bei strahlendem
Hohenzollernwetter. Der Kaiser, wie immer, in der Uniform der Königs-Ulanen.“
1907: Zum "Kaiserin-Auguste-Victoria-Jagdrennen"
kam am 16. Juni auch das Kaiserpaar per Kutsche nach Horn. Danach ging es
wieder über Wandsbek zurück zum Dammtorbahnhof, wo die Kaiserin den Zug nach
Berlin bestieg, der Kaiser aber zum Hafen fuhr, wo seine Yacht
"Hohenzollern" lag, um ihn via Kaiser-Wilhelm-Kanal zur "Kieler
Woche" zu bringen.
1911: Am 27. Juni berichtete die "Neue Hamburger Zeitung": „Mit dem
gestrigen Tage schloss auf der Horner Rennbahn das Derby-Meeting auf der
jetzigen Bahn. Es wird sofort mit dem Abbruch der Tribünen und Erdbewegungen
für die neue Rennbahn begonnen. Zum Abschluss spielte die Husarenkapelle So
leb' denn wohl, du altes Haus.“
‒ Die alte Tribüne von 1873
wurde noch im Juli demontiert und etwa siebzig Meter weiter südlich wieder
aufgebaut, allerdings ohne Dachaufsatz.
1912: Mit den Frühjahrsrennen am 28. April konnten die Neuanlagen auf der
Horner Rennbahn eingeweiht werden. Dazu gehörte neben den beiden großen
Tribünen aus Eisenbeton auch ein Tunnel unter dem Geläuf. Die noch heute
stehende Haupttribüne war 83 x 17 Meter groß und besaß 3.526 Plätze, davon
2.482 Sitzplätze. In jenem Jahr feierte der Hamburger Renn-Club sein
60-jähriges Bestehen.
1914: Am 21. Juni besuchte der Kaiser wieder den Großen Hansa-Preis. Tags
zuvor war er zum Stapellauf der "Bismarck" nach Hamburg gekommen, dem
seinerzeit weltgrößten Passagier-Dampfer. Beim Deutschen Galopp-Derby am 28.
Juni, Wilhelm II. war schon in Kiel, bot die Horner Rennbahn wie immer ein
glanzvolles Bild. Doch plötzlich war die freudige Stimmung wie weggeblasen.
Voller Entsetzen hörte man die Nachricht von der Ermordung des Erzherzogs Franz
Ferdinand und seiner Frau in Sarajewo. Eine unheilvolle Vorahnung machte sich
breit. Die Kapelle, die eben noch flotte Marschweisen intoniert hatte,
verstummte. Selbst der Derbysieger Ariel ging ohne Tusch durchs Ziel. Alle
verließen die Rennbahn schnell. Nur wenige Wochen später begann der Erste
Weltkrieg.
Auch
während der Kriegsjahre fanden Deutsche Derbys statt, nur der Kaiser hat sich
hier nie wieder sehen lassen.
1919: Das Deutsche Derby fand in diesem Jahr nicht in Horn, sondern auf der
"Rennbahn Grunewald" in Berlin statt. Zwischen 1920 und 1923
galoppierte in Horn auch die Inflation, zuletzt so schnell, dass man am
Totalisator im Gewinnfall froh sein konnte, seinen Wetteinsatz wieder
'rausbekommen zu haben... Die unvorstellbar hohen Reparationsforderungen der
Siegermächte gaben der "Weimarer Republik" keine Chance. Viele Damen
der Gesellschaft trugen zwar immer noch große Hüte, die Bürger jedoch lebten
mehr und mehr auf kleinem Fuß und unter den bald sechs Millionen Arbeitslosen
gab es viele, die gern wieder einen Kaiser hätten. Sie brauchten nicht lange
auf ihn zu warten...
Die
Bomben des Zweiten Weltkriegs bedrohten und beschädigten auch die Horner
Rennbahn. Da verlegte man das Derby kurzerhand vor die Tore Berlins nach
"Hoppegarten", wo es 1943 und 1944 stattfand. Nach der Kapitulation
im Mai 1945 fiel die Traditionsveranstaltung erstmals aus. Doch wer vom Pferd
fällt, springt ganz schnell wieder in den Sattel: Im Jahre 1946 bereits bot
sich München als Derbystadt an, 1947 Köln. Ein Jahr darauf erschien folgender
Bericht:
„Auf
Grund einer Überprüfung der Horner Rennbahn hat das Direktorium nunmehr die
Abhaltung des Derby-Meetings in Hamburg genehmigt, da alle Voraussetzungen zu
einem einwandfreien Verlauf der Rennen erfüllt sind. Nach einer, durch starke
Kriegsschäden bedingten fünfjährigen Pause, wird das 79. Deutsche Derby wieder
auf dem klassischen Boden des Horner Moores gelaufen werden. Die unermüdliche
Arbeit der verantwortlichen Männer des HRC hat damit einen verdienten Lohn
gefunden. In echt hanseatischer Großzügigkeit wurden alle Schwierigkeiten
überwunden, zumal auch Stadt und Senat an der Spitze der sportfreudige
Bürgermeister Brauer die Bestrebungen des Clubs nach Möglichkeit
unterstützten und förderten. Die Horner Rennbahn entspricht wieder allen
Anforderungen einer rennsportlichen Großveranstaltung. Das 25 Meter breite
Geläuf befindet sich schon jetzt in dem aus früheren Jahren gewohnten
tadellosen Zustand. Die Berieselungsanlage, Startmaschine und Zeitmessung sind
wiederhergestellt. Das Waagegebäude sowie die erste und ein Teil der weiten
Tribüne sind erfreulicherweise erhalten geblieben oder konnten bereits wieder
für eine volle Ausnutzung hergestellt werden, sodass auch bei dem zu
erwartenden Massenbesuch jeder eine gute Sicht haben möge. Ein großer
Restaurationsbetrieb sowie zahlreiche Totalisatorkassen werden im Innenraum der
Bahn in Zelten Platz finden. Die Jagdbahn ist gleichfalls wiederhergestellt und
mit neuen Hindernissen versehen. Für die Unterbringung der Pferde und des
Begleitpersonals stehen in Horn 129 Boxen zur Verfügung. Weitere hundert Pferde
können gegebenenfalls in den Boxen der früheren Borsteler Rennbahn
untergebracht werden.“
Ende
Juli 1952 zog ich als kleiner Junge nach Horn in den gerade fertiggestellten
großen Block an der Ecke Sievekingsallee/Rennbahnstraße. Jetzt begann
"meine" Derbyzeit. Leider waren die Renntage jenes Jahres schon
vorbei, aber dafür konnte ich 1953 die Premiere des bald berühmten Jockeys Hein
Bollow auf seinem Pferd Allasch vom Gestüt Schlenderhan miterleben. Bollow
siegte auch bei den Derbys von 1954, 1956 und 1962. Im Jahre 1953 berichtete
erstmals das Fernsehen, denn den "Zauberspiegel" gab es im
Nachkriegs-Deutschland erst seit Weihnachten 1952.
Aus
der Gründerzeit des "HRC" steht heute kein Gebäude mehr. Nur die
große Tribüne von 1912 und der Tunnel unter dem Geläuf sind noch Zeugen der
Kaiserzeit. Die Tradition des Derbys in Hamburg soll fortgesetzt werden, trotz
finanzieller und anderer Probleme der letzten Jahre. Somit wird der Stadtteil
auch in Zukunft ein Begriff bleiben:
„Ach, aus Horn kommen Sie, da wo immer das Derby stattfindet?!“