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Rasquin - November 2011, aktualisiert am 21. Juni 2023.
Seit alten Zeiten führte dieser einst schmale Geesthangweg vom
westlichen Dorfrand schräg hinauf zum Ackerland, dem Großen Kamp. Der Volksmund
nannte ihn "Hohlerweg", ein seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch
amtlicher Name. Erster Katen am Weg war das "Rauhe Haus", eine
irgendwann im Dorf entstandene Bezeichnung für einen oben auf dem Geestrücken
gelegenen kleinen Brinksitz, möglicherweise bewohnt von Hirten der benachbarten
Bullenkoppel. Erstmal dokumentiert ihn eine Landkarte von 1745.
Erster uns bekannter Grundeigentümer am Hohlerweg war seit dem 30.
November 1598 Jacob Schröder. Er bewirtschaftete einen Hof, der südlich
heutiger Ostwiese des Blohm’s Parks lag. Söhne und Enkel besaßen die stets
unbebauten Grundstücke am Geesthang noch bis zum 21. April 1760. Die weiteren
Grundeigentümer hießen dann Rücker, Krogmann und de Chapeaurouge.
Kurz bevor diese einstöckigen Stadtvillen ab 1894 nach und nach
errichtet wurden, hatte man den Weg von drei auf sieben Meter verbreitert, von
1:18 auf 1:22 verflacht und dann gepflastert. Bis auf das linke, bereits im
Frühling 1894 bezogene Gebäude mit den Hausnummern 46–52, besaßen die Nummern 24–44
unterschiedliche Fassaden. Alle hatten im oberen Stockwerk drei Fenster und
jeweils unten links den Eingang. Vom rückseitigen Gartenbereich konnten die
Bewohner weit gen Süden über die Marsch blicken.
Die meisten Häuser wurden im Krieg zwar schwer beschädigt oder
brannten aus, doch schon bald machte man sie wieder bewohnbar. Die Häuser 30,
32, 34 und 36 jedoch waren so zerstört, dass man sie völlig neu aufbauen
musste, wobei Nummer 30 wenigstens noch Teile der alten Fassade zurückerhielt.
Ein staatsseitig hergestelltes Siel (Abwasserkanal) gab es bereits seit 1893.
Es verband die Siele Horner Landstraße und Horner Weg.
Am Hohlerweg ließ Jaques de Chapeaurounge im Sommer 1800
dieses Landhaus errichten (Foto von 1898, kurz vor dem Abbruch.
Es stand schräg gegenüber der Kate "Rauhes
Haus" (Foto von 1899, noch mit der Gaslaterne von 1864).
Am 1. Oktober 1899 war der Hohlerweg in "Rudolphstraße"
umbenannt worden, weil bereits in der Hamburger Neustadt ein Hohlerweg
existierte, die Baudeputation im selben Jahr beschlossen hatte, gleiche oder
ähnlich lautende Straßennamen bei sich bietender Gelegenheit zu beseitigen.
Oben auf dem Geesthang verlief die dort unbebaute Rudolphstraße noch bis zur
Fischerstraße, die auch im Herbst 1899 umbenannt worden war und fortan
Morahtstraße hieß.
In den Hamburger Adressbüchern, die fast alle Straßennamen
erklärten, fand man zur Rudolphstraße immer nur die Anmerkung "Motiv
unbekannt". Im Jahre 2021 aber entdeckte
ich den Grund für diese Bennennung, als ich in Wicherns 1851 veröffentlichten Buch "Geschichte
und Geschichten des Rauhen Hauses zu Horn" Folgendes las:
„Am Nachmittag des 28. Juli 1838 sollte
auf dem Gelände des Rauhen Hauses ein Sommerfest beginnen, worauf sich das
Heimkind Rudolph (14) besonders gefreut hatte. Schon tagsüber sahen ihn alle,
als er mutig mit Blumenkränzen über das Dach des Schweizerhauses ging, dem er
schließlich die am höchsten stehende Blumen-Krone aufsetzte. Danach wollte er
sich im Badeteich selbst fürs Fest "schmücken". Im selben Augenblick
traf ihn die wunderbare Hand des Herrn. Vom Schlage gerührt verschwand er im
Wasser. Zwar versuchte man ihn sofort zu finden, doch erst nach Stunden gelang
es. Die Glocke, die zum Fest rufen sollte, rief nun zu einer Totenfeier. Alle
standen stumm und weinend vor dem Teich...
Rudolph war der Sohn eines armen Vaters.
Bis zur Aufnahme ins Rauhe Haus vor dreieinhalb Jahren wusste er nichts vom
Wort Gottes. Erst hier fand es in seinem Herzen eine Stätte, und in ihm
erwachte eine Liebe zum unglücklichen Vater. Zuletzt lebte er nur in der
kindlichen Sorge um ihn. Die schönsten Pläne ersann er für dessen Zukunft,
wollte sogar um seine Aufnahme ins Rauhe Haus bitten. Kein Wunder, dass Rudolph
zum Liebling aller wurde. Ich sehe noch heute
seine freundliche Gestalt, sein helles Auge unter dem schwarzen Haar, Diesen
Knaben nahm der Heiland an jenem Tage so plötzlich zu sich in sein Reich. Er
hatte ihm wohl ein besseres Fest als unser irdisches bereitet.”
Viele Kinder nannten die Straße übrigens "Rudolphsberg",
weil man dort im Winter so schön Schlitten fahren konnte. Autos gab es ja bis
Ende der 1920er Jahre nur sehr wenige, und die kamen den Geesthang dann bald
nicht mehr herauf, so glatt war es oft durch die spielenden Kinder geworden.
Nachdem man die Rudolphstraße im Jahre 1929 bis zum Bauerberg
verlängert hatte, erhielt sie am 16. Juli ihren neuen Namen "Beim Rauhen
Hause". Der bis dato zwischen Morahtstraße und Hertogestraße verlaufende
ungepflasterte, noch unbenannte Weg hieß im Volksmund "Liebesallee",
weil hier keine Gaslaternen standen und die Bäume vom Blohm’s Park vor
neugierigen Blicken schützten. Ein schönes Plätzchen also für Verliebte,
besonders in warmen Monaten.
1910 entstand dieses Foto an der Ecke Horner
Landstraße/Rudolphstraße (links).