Copyright: Gerd Rasquin - Erstellt
1999, letztmalig bearbeitet im Juni 2020.
Die erste Horner Flurkarte von 1751
dokumentiert vier Grundstücke auf einem Areal, das wir heute als Blohm’s Park
kennen. Das westliche war seinerzeit unbebaut und diente als Vorgarten mit
Teich für das südlich gegenüberliegende Anwesen der Familie Konau, am Südrand
der Landstraße. Ein etwa 25 Meter breites Grundstück mit Sommersitz grenzte
rechts an und daran ein weiteres mit zwei Häusern. Der östliche Teil,
einschließlich heutiger Hertogestraße, gehörte Philip Christoph de Hertoghe,
dessen Vorfahren hier schon seit 1630 ein Landhaus besaßen. Erstmals wurde
dieses Grundstück anno 1600 im Grundbuch erwähnt:
"4
Morgen Marschlandes bei Hinrich Schröder mit einer Kate, den Geestkamp, zwei
Blöcke, dem Gehege und allerlei pertin" (Zubehör). Erster
uns bekannter Bewohner war der Kaufmann Albert van Eitzen, am 10. Mai 1614 ins
Grundbuch eingetragen. Am 25. Juni 1609 hatte er Gesa von Schöningen geheiratet
(†1650), mit der er acht Kinder bekam. Seit 1610 war van Eitzen Ratsherr
(Senator) und von 1623–†1653 sogar Hamburger Bürgermeister. Während er alltags
in der Stadt arbeitete, wohnte seine Familie in der Dorfschaft Horn, vor allem in
den wärmeren Monaten.
Albert van Eitzen (6.9.1578–4.5.1653)
Am 14. Januar 1630 verkaufte Albert von
Eitzen sein Grundstück an Hans de Hertoghe. Dessen Familie waren Lutheraner, die in den seinerzeit
spanischen Niederlanden schon lange brutal verfolgt wurden. Die ersten
Flüchtlinge erreichten das liberale Hamburg schon 1567. Noch bevor spanische
Soldaten Antwerpen am 17. August 1885 eroberten, kam es zu einer zweiten
Flüchtlingswelle, mit der auch die Hamburger Geschichte der Familie de Hertoghe
begann. Seinerzeit erreichte auch ein Cornelis de Hertoghe (1545–7.1.1612) mit seiner Familie die Hansestadt. Cornelis war Kaufmann geworden, hatte noch in
seiner niederländischen Heimat 1582 Isabeau van Achelen (†8.5.1603) geheiratet
und dort mit ihr die Kinder Hans (24.12.1580–1638) und Isabeau (4.2.1583–17.2.1662)
bekommen. Die heiratete am 22. November 1601 Rudolph Amsinck
(9.11.1577–1.12.1636). Obwohl das Ehepaar vierzehn Kinder bekam, blieb dieser
Familienzweig für Horn bedeutungslos, im Gegensatz zu Bruder Hans. Der heiratete Sara Amsinck (1.2.1582–1.2.1647), mit der
er sechs Mädchen und am 28.9.1614 auch einen Sohn bekam, den sie Wilhelm nannten. Am 6.1.1640 heiratete er Helene
van Overbeke (15.12.1615–11.9.1679). Ihren Sohn nannten sie ebenfalls Wilhelm,
doch nachdem sein Vater am 19. August 1680 verstorben war, wollte Sohn Wilhelm
das Horner Landhaus nicht übernehmen, sondern liebäugelte mit einem weitaus
größeren Anwesen auf Billwerder, das er als wohlhabend gewordener Mann im Jahre
1684 auch erwerben konnte. Die Familie de Hertoghe war seit ihrer Ankunft in
Hamburg sehr erfolgreich im Iberienhandel.
Nachdem Hans
1638 verstorben war, lebte Ehefrau Sara noch bis †1647 im Haus, gemeinsam mit
ihrem Sohn Wilhelm und dessen Ehefrau Helene (†11.9.1679).
Beide hatten vermutlich zwei Söhne, von denen der eine Peter (†1712) hieß, den
das Horner Grundbuch am 14. Mai 1709 im Zusammenhang mit Landeigentum in Horn
erwähnt. Unter demselben Datum ist auch ein Hans de Hertoghe eingetragen, doch
ist ungewiss, ob auch beide im Horner Landhaus wohnten oder es einem von ihnen
gehörte. Sicher ist nur, dass Philip Christoph de Hertoghe seit 1727 neuer Grundeigentümer war, der sein Geld als Bankier in
Hamburg verdiente.
Dem in Hamburg geborenen Schaproder Prediger Lorenz Maneke
(27.6.1681‒25.8.1757) verdanken wir eine Beschreibung des Grundstücks. Er
reiste am 23. September 1745 in einer von zwei Pferden gezogenen Kutsche mit
Knecht, Ehefrau Sophia Agnes sowie den Töchtern Catharina Dorothea (*1722),
Ulrica Maria (*1725) und Sophia Georgia (*1730) zu seinen Zwillingsbrüdern
Jochim und Jürgen, die derzeit aber in Jürgens Landhaus auf Billwerder wohnten,
sonst aber als Zuckerbäcker arbeiteten. Nach einigen Zwischenstationen
erreichten sie am 1. Oktober (Freitag) Billwerder, wo sie freudig empfangen
wurden und in Hamburg erlebnisreiche Tage verbrachten. Am 10. Oktober (Sonntag)
fuhr die Familie mit Jürgens Ehefrau Martha (1700‒1755) samt Tochter
Agnetha Catharina (11) und Sohn Hermann (12) in zwei Kutschen nach Hamm, wo man
in der Dorfschaft Horn den prächtigen Garten des Herrn Philip Christoph de
Hertoghe erreichte, der sie zu einem Rundgang auf seinem Anwesen einlud. Maneke
schrieb später in sein Tagebuch:
„Traten
daselbst ab in Garten des reichen Kaufmanns Herrn de Hertoghe, der an
Schönheit, Pracht und Magnificenze alle Hamburgischen Gärten, auch sogar den
kostbaren Garten des Herrn Jobst von Overbeck ganz übertrifft. Gewiß, wo ich
jemals was Rares in der Welt zu sehen bekommen habe, so auf diesem Garten. Ein
sehr prächtig Palais mit einer Zugbrücke, stand in demselben mitten in einem
sehr großen Karpfen-Teiche auf hohen steinernen Pfeilern. Hiernächst fand sich
daselbst eine ganz neu erbauete Grotte, deren Wände nicht allein mit köstlichen
Perlen, Muscheln und Mineralien vortrefflich ausgezieret waren, sondern auch
mit vielen springenden Fontainen prangeten, so, bei der großen Sonnenhitze, uns
die ausnehmendste Erfrischung gaben. Das sich auf diesem Garten befindliche
Orangerie-Haus sah mehr einer Kirche als einem Hause ähnlich und war mit
Zitronen und Apfel de chine-Bäumen, nebst anderen raren Gewächsen aus Afrika
und Amerika ganz angefüllet und ward um derentwillen täglich mit sechs Oefen
gehitzet, damit die Früchte möchten reif werden. So waren auch sonsten noch in
des Herrn de Hartogs Garten sehr viele herrliche Fontainen und Springbrunnen,
welche der Inspector bei unserer Anwesenheit alle miteinander springen ließ, so
daß wir nicht wußten, wo wir sollten zuerst unsere Augen hinschlagen. Und
nächst bei diesem unvergleichlichen Garten war ein großer weitläufiger
Thiergarten, worin Rehe, Hirsche und Hasen in großer Menge liefen, imgleichen
ein prächtiges hohes Vogelhaus von dicken eisernen Stangen, worin viele
asiatische, afrikanische und amerikanische Vögel zu sehen waren und welche des
Winters in warmen Zimmern aufbehalten werden. Bei dem Eingange der Garten-Thüre
lag ein angekleideter Affe an der Kette, der viele kurzweilige Possen machte.
Der Inspector berichtete uns, daß dem Herrn de Hertoghe, dieses alles in gutem
Stande zu erhalten, jährlich über 2.000 Reichsthaler koste. Weil er aber mehr
als eine Million reich, und dabei keine Kinder, so estimire er solches nicht.”
Nachdem Philip Christoph de Hertoghe 1755 verstorben war, wohnte die Witwe
noch bis zu ihrem Tod im Haus. Sie war die Schwester des Hamburger Kaufmanns Johann Friedrich Droop, dem seit 1737 ein großes Sommerhaus an der
Landstraße gehörte (heute Höhe Nr. 206). Letztmalig erwähnt wurde sie am 29. Mai 1760, als "Bauernvogt Bostelmann und Konsorten
beim Landherren waren, um die Erlaubnis zum Vogelschießen einzuholen, das wegen
Schadhaftigkeit der Stange seit 1751 nicht mehr stattfinden konnte."
In dem Bericht hieß es weiter: "Vogel
und Schilde verwahrte das Jahr über die Witwe de Hertoghe in ihrem Haus, wofür
sie den Gewinn und drei Reichstaler erhielt." Als sie 1763 starb
endeten auch 133 Jahre Horner Familiengeschichte. Keine andere Hamburger
Kaufmannsfamilie zuvor oder danach war hier über so lange Zeit ansässig!
Neuer
Grundeigentümer wurde "Etatsrath" (Staatsrat) Carl Friedrich Richardi
(†1803), dessen Stadtwohnung an der Großen Drehbahn Nr. 392 lag. Im Garten
seines Sommerhauses ließ er 1781 Denkmäler für Denner, Hagedorn, Telemann und
1787 für Sonnin aufstellen. Weitere Grundeigentümer waren: Johann Heinrich
Berckemeyer (1794 bis September 1825), Landmann Johann Hinrich Stelter
(1825–†1848) und Georg Wilhelm Carstens (1848–1861), der an die
Burgfelderstraße Nr. 24 zog. Laut Adressbuch (künftig "AB" geschrieben)
war er "Hausmakler und privilegirter
Herausgeber der hiesigen Geld- und Wechsel-Course" und hatte zuvor an
der Hammer Landstraße Nr. 117 gewohnt. Von 1859–1861 steht er auch als Vogt in
den AB. Nachfolgender Grundeigentümer war der Hausmakler Johannes Bade, doch im
Straßenverzeichnis der AB fehlt bis 1869 die Hausnummer. Was war wohl
geschehen? Bade könnte von seinem Geschäft am Alsterdamm Nr. 9 aus spekuliert,
aber keinen Käufer für das alte Haus gefunden haben. Seit 1870 jedenfalls steht
er als Bewohner im AB. Nach seinem Tod im Jahre 1878 verkauften die Erben das
Grundstück 1880 an den Schlachtermeister Weichard Jacob Eberhard, doch bewohnt
wurde das Landhaus seit 1879 vom Kaufmann N.R. Fienemann und seit 1881 von
J.H.C. Benthaak. Im Jahre 1882 bezog Eberhard sein Haus selbst, doch verkaufte
er es 1889 und zog an die Buchtstraße Nr. 4. Neuer Grundeigentümer wurde Gustav
Beit aus der Chemiefabrik "Beit & Philippi" vom Neuen
Jungfernstieg Nr. 15, doch wollte er hier nicht wohnen, sondern das Haus
vermieten. Mit dem Firmeninhaber Hermann Brauss fand er 1890 einen
Interessenten, der sich sogar einen Gärtner leisten konnte: Von 1892–1897 war
das Carl Reimann und von 1897–1899 Carl Schiller. Im Jahre 1899 zog Martin
Wiede ins Haus, der die Immobilie im Jahr darauf auch erwarb, gemeinsam mit
seinem Bruder Wilhelm. Während Martin mit seiner Familie im Haus wohnen blieb,
hatte sich Wilhelm gleich westlich daneben eine neue Villa errichten lassen
(siehe Nr. 125). Das alte Landhaus, mit Wohnräumen für die jeweiligen Kutscher
im hinteren Teil, wurde 1910 abgebrochen, um die Hertogestraße anzulegen.
Horns erste Flurkarte von 1751 zeigt das
im Teich stehende Palais und ein im klassizistischen Stil erbautes
stattliches Landhaus, ähnlich dem der
Familie Duncker an der Horner Landstraße 246 (rechts).
Auf der Dorfkarte von 1826 ist das
Palais nicht mehr zu sehen, dafür aber ein doppelt so großer Teich.
Auf der
Flurkarte von 1751 steht gleich westlich des Hertoghischen Anwesens ein
einstöckiges Haus direkt an der Landstraße. Wem es derzeit gehörte ist nicht
bekannt, doch 1771 soll es der Kaufmann Albert Heinrich Adamy (1739-0713–12.3.1799) erworben haben,
dessen Hamburger Geschäftsräume an der Gröningerstraße C1 Nr. 63 lagen. Am 28.
Januar 1766 hatte er Margaretha, geborene Krohn (10.10.1742–15-1.1809)
geheiratet, doch Kinder bekamen sie nicht. Am 15. Februar 1788 wurde er
Ratsherr.
Im Jahre 1816
erwarb der Kaufmann Heinrich Johann Merck (27.2.1770–23.10.1853) das Grundstück
samt Baulichkeiten. Aus seiner Geburtsstadt Schweinfurt hatte es ihn 1793 nach
Hamburg gezogen, wo er mit industriell gefertigten englischen Baumwollgarnen
handelte. Während der Kontinentalsperre durch Napoleon erwarb er durch
Schmuggel ein bedeutendes Vermögen und war 1813 schon so reich, dass er
zusammen mit anderen einen großen Teil der von den Franzosen geforderten hohen
Kontributionen zahlen konnte. Speicher und Kontor seiner Firma befanden sich in
einem Teil des sogenannten Mortzenhauses in der Straße "Alter
Wandrahm", das er 1810 erworben hatte. Aus seiner Heirat mit Maria
Catharina Danckert (13.2.1771–8.7.1809) am 9.11.1802 gingen vier Kinder hervor:
Heinrich Johann (15.7.1804–18.3.1835), Maria Carolina Friederica
(3.7.1806–9.12.1884), Marie Pauline (20.3.1808–23.3.1861) und Carl Hermann
(3.5.1809–16.10.1880), später Syndikus zu Hamburg. Nachdem seine Frau kurz nach
der Geburt von Carl Hermann gestorben war, heiratete Merck am 14. Oktober 1810
Marianne Rohlffs (12.10.1780–14.4.1853). Mit ihr bekam er die Kinder: Ernst
(20.11.1811–6.7.1863), später Kaufmann und Finanzminister des Deutschen
Parlaments von 1848 sowie 1863 Mitgründer des Zoologischen Gartens in Hamburg),
Molly (10.12.1812–26.10.1897) und Theodor (3.10.1816–21.11.1889), der am 8.
Juli 1851 die Hamburger Kaufmannstochter Emilie Amsinck heiratete und
Mitinhaber der väterlichen Firma war.
Schon vor der Geburt Theodors war das
Sommerhaus der Mercks an der Hammerlandstraße Nr. 45 (Hausnummer bis 1868) zu
klein geworden, und so erwarb man das einst Albert Hinrich Adamy und seiner
Frau Margaretha gehörende Landhaus im Nachbardorf Horn. Aus jener Zeit steht
noch heute eine Stiel-Eiche mit einem Stammumfang von fast viereinhalb Metern.
Die Dorfkarte von 1826 zeigt zwar immer noch die alten Gebäudeumrisse, doch
eine Lithografie von 1836 dokumentiert bereits eine gerade bezogene klassizistische Villa. Architekt war der
angesehene Franz Gustav
Forsmann (1795–1878).
Merck, der am 3. März 1820 Hamburger
Senator wurde, pflegte im geräumigen Gartenhaus auch eine bedeutende
Kakteensammlung, deren gedruckter Katalog sogar im Ausland bekannt war. Auch
züchtete der Pflanzenliebhaber Orchideen und Dahlien, eine von denen sogar
benannt als Merck-Dahlie (Dahlia
merkii). Ein halbes Jahr nach dem
Tod seiner Ehefrau starb auch der nunmehr 83-jährige Merck. Sein Sohn Dr. Carl
Hermann verwaltete das Erbe, denn noch fünf weitere Kinder hatten ja Ansprüche.
Es lag also im Interesse aller, die Immobilie so schnell wie möglich zu
verkaufen. Mit Graf Solm fand er 1854 einen Interessenten, den
eine schöne, zeitgenössische Lithografie von Wilhelm Heuer als Eigentümer
dokumentiert. Über den Grafen ist leider nichts bekannt, und auch die AB wiesen
seinen Namen nie aus. Die Familiengruft der Mercks befindet sich noch heute im
Jakobipark, der 1848 als Friedhof der Hauptkirche St. Jakobi in Hamburg-Eilbeck
angelegt worden war.
Am 8. Oktober 1858 verkaufte Graf Solm
sein 28.877 qm großes Anwesen an den Kaufmann Hermann Friedrich
Julius Leser
(1815-1030–1874-0806), der hier mit Ehefrau Julie Mathilde, geborene
Heimendahl (1823-0408–10.9.1900) wohnte. Im Spätsommer 1872 ließ er am
nördlichen Arealrand ein Stallgebäude nebst Kutscherwohnung errichten und den
Eiskeller überdachen. Auch das frei stehende strohgedeckte Eishaus konnte bis
Ende Oktober erneuert werden und bestand nun aus Fachwerk und einem
Schieferdach. Nachdem Julius Leser in Frankfurt/Main verstorben war, ließ die
Witwe ihr Eigentum versteigern und zog in ihre neue Villa an die Sierichstraße
Nr. 4, die sie durch den Verkauf des Horner Landhauses mitfinanzierte. Sie
starb in ihrem letzten Domizil, einer Villa An der Alster Nr. 23.
Am 18. Juni 1875 ersteigerte Ludwig Friedrich Blohm (13.1.1837–26.3.1911)
das Grundstück im Assecuranzzimmer der Hamburger Börsenhalle. Sein Vater Georg (9.11.1801–6.3.1878) war
anno 1825 nach St. Thomas in die Karibik ausgewandert und vier Jahre darauf
nach Venezuela in die Stadt La Guaira gezogen, um dort ein Handelsgeschäft zu
gründen. Als sich bald der große Erfolg einstellte, gelang die Familie zu
Ansehen und Einfluss. Am 28. Mai 1834 heiratete Georg Blohm die Tochter des
örtlichen dänischen Friedensrichters Anna Margaretha Lind
(14.12.1807–10.10.1878). Der erworbene Wohlstand ermöglichte es Blohm, bereits
im Alter von 42 Jahren in seine Heimatstadt Lübeck zurückzukehren, um so einen
ordnungsgemäßen Schulbesuch für seine Söhne Georg Heinrich
(14.7.1835–16.1.1909) und Ludwig
Friedrich sicherzustellen. Beide führten
später die begonnenen Handelsaktivitäten in Venezuela und Hamburg fort. Ihre Schifffahrtsgesellschaft
"G.H. & L.F. Blohm" beförderte Post zwischen La Guaira, Puerto
Cabello, St. Thomas und Curaçao. Um 1863 gab diese sogar eigene Briefmarken
heraus! Wilhelm Eduard (1.4.1840–10.2.1915), der erst in Lübeck geborene dritte
Sohn, wurde 1864 Gutsherr auf Viecheln in Mecklenburg und Hermann Blohm
(23.6.1848–12.3.1930) gründete am 5. April 1877 zusammen mit Ernst Voss in
Hamburg das spätere Weltunternehmen "Blohm & Voss".
Seit dem 14. August 1876 besaß das Weinhaus
eine Warmwasserheizung, und am 25. Februar 1878 wurde auch noch ein Fruchthaus
fertiggestellt. Nachdem die Villa im Jahre 1889 vergrößert worden war,
erstrahlte auch ihr Äußeres in neuem Glanz. Über der Veranda gab es einen
großen Balkon, und das jetzt höhere Dach hatte man mit schmiedeeisernem Zierrat
versehen. 1896 wurden Remise und Pferdestall derart erweitert und umgebaut,
dass auch Obergärtner Rudolf Bünger sowie Kutscher und Stallbursche hier wohnen
konnten. Ein Jahr darauf entstand ein noch größeres Gewächshaus. In seiner
Ausgabe vom 8. Dezember 1900 lobte das "Hamburger Fremdenblatt" den
Park mit seinen wertvollen Pflanzen und gefüllten Gewächshäusern: „Dieser Garten braucht den Vergleich mit den berühmtesten
Gartenbesitzungen in Harvestehude nicht zu scheuen.“ Schon ein paar Monate später erhielt
das Anwesen elektrische Beleuchtung. Als am 29. August 1903 das Gerüst des
Gewächshauses einstürzte, wurden drei Arbeiter unter den Trümmern begraben.
Zwei verletzten sich dabei schwer, einer leicht.
Im Jahre 1885 hatte Blohm übrigens eine
prächtige silberne Spenden-Büchse für
die anno 1585 in Hamburg gegründete "Niederländische
Armen-Casse" gestiftet. Anfangs
nur für bedürftige Niederländer gedacht, entwickelte sie sich bald zur stillen
Wohltäterin auch für Hamburger Bürger. Bei den alljährlichen Feiern der Casse
wurde die Büchse stets während des Essens herumgereicht.
Nachdem Blohm gestorben war, lebte die
Witwe noch bis zu ihrem Tod am 28. Oktober 1916 in der Villa. Räume hat sie
wohl nicht vermietet, denn die Adressbücher vermerkten keine sonstigen
Bewohner. Erst unter den neuen Eigentümern Peter Siemsen und Professor Eduard
Arning zogen am 15. Oktober 1919 Albert Carl Eduard Fleck (1861‒1920) und
seine Ehefrau Emma Caroline (1862‒1824) ins Dachgeschoss. Ihre
Kinder waren Elsa Maria (1888), Helene Martha Margarethe (1892), Olga Elisabeth
(1895) Kurt Johann (1900) und Heinrich Hans (1904). Zwei bereits verstorbene
Kinder hießen Emma Katharina (1890–1907) und Albert Wilhelm (1893 geboren, aber
am 3. Juni 1918 im Krieg gefallen). Weitere Mietparteien: In der Kellerwohnung
der Bürobeamte August Ey (†1921), danach die Witwe, im Erdgeschoss der
Prokurist Martin Schubarth und im Obergeschoss der Prokurist H. Peters sowie
Kaufmann Rudolf Wassmann.
Im Frühjahr 1921 wurden Wintergarten und
das Gewächshaus nebst Kuppelhalle abgebrochen.
Der
Park könnte heute auch "Hinrichsen Park" heißen, denn letzter
Grundbesitzer war Claus Heinrich Hinrichsen, der das Grundstück im
Januar 1922 von Blohm’s Erben erwarb und hier einzog. In den wenigen Jahren als
Eigentümer konnte Hinrichsen das Gelände jedoch nicht neu prägen. Seine
Absicht, es mit kleinen Villen im Stil der westlich des Parks gelegenen
Feck’schen Häuser bebauen zu lassen, stieß auf den Widerstand der Genehmigungsbehörden,
die immer wieder neue Auflagen machten. Am 21. August 1928 überließ Hinrichsen
die Immobilie der Finanzdeputation Hamburg und bekam dafür das von den Straßen
Beim Pachthof, Pagenfelder Straße, Bei der Martinskirche und Scheteligsweg
begrenzte Grundstück. Er selbst wohnte noch einige Jahre als Pächter in der
alten Villa.
Zunehmend verwilderte der Park, und erst
1934 machte die Stadt aus dem Areal für 67.000 Mark eine öffentliche Grünanlage, begrenzt im Norden von der Straße Beim
Rauhen Hause, im Osten von der Hertogestraße, im Süden von der Horner
Landstraße und im Westen von einem Fußweg, der ab 15. Juli 1929
"Kernbek" heißt, einst auch als "Brauertwiete" oder
"Weg Nr. 389" bezeichnet worden war. An der Nordostecke der
Westwiese, im Bauwinkel von Pferdestall und Remise (Kutschenraum), luden jetzt
idyllische Sitzreihen zum Verweilen ein. Den ehemaligen Parkteich hatte man
zugeschüttet und in der Senke eine Freilichtbühne angelegt, die bald so begehrt
war, dass sie erweitert werden musste. Alljährliche Volksbelustigungen,
Kinderfeste sowie Schul- und Vereinsvorführungen blieben den Zeitzeugen noch
lange in schöner Erinnerung. Hier formierten sich auch die beliebten Musik- und
Laternenumzüge, um sich später am selben Ort wieder aufzulösen.
Bis zu ihrer Zerstörung im Jahre 1943 war
in der "Villa Blohm" die Kreisleitung des Kreises V. der NSDAP
untergebracht. Dazu gehörte die Deutsche Arbeits-Front (D.A.F.) und die
N.S.-Rechtsbetreuungsstelle. Bis Kriegsende wurde noch in einer Baracke
weitergearbeitet.
"Blohm’s
Park" hatte sehr unter dem Krieg gelitten, wurde aber leider nicht so
großzügig erneuert wie der Hammer Park. Nachdem die Reste der zerstörten Villa
im Frühjahr 1950 gesprengt und beseitigt worden waren, begannen gleichenorts
Ende November die Bauarbeiten für das Jugend-Europa-Haus. Die Idee
hierzu hatte der dänische Theologe und Dramatiker Karl Nielsen (16.4.1895‒8.3.1979),
der hier die Zusammenarbeit zwischen den Völkern fördern wollte. Unter dem Vorsitz
von Professor Sieverts vom Seminar für Jugendstrafrecht war der "Verein
Jugend-Europa-Haus" gegründet worden und zwar auf Anregung der Dänischen
Gesellschaft für zwischenvölkische Zusammenarbeit "Mellemfolkeligt
Samvirke". Sie organisierte den Transport des in seine Einzelteile
zerlegten norwegischen Holzhauses, das im Dezember 1950 mit dem
Küstenmotorschiff "Gerda Luise" nach Hamburg
gebracht wurde. Den Transport vom Hafen zum Blohm's Park organisierten
freiwillige Helfer, die unter der Leitung eines dänischen Zimmermanns auch die
Aufbauarbeit leisteten. Bereits im Herbst 1950 waren dort Teile der ehemaligen
Kellerräume der alten Villa für den Keller des neuen Hauses freigelegt worden,
der im November neue Mauern erhielt. Das Haus konnte deswegen relativ zügig
aufgestellt werden, zusammen mit dem Anbau, in dem sich der große Saal befand,
der sich direkt über dem tiefen Ziehbrunnen der ehemaligen Villa befand. Kurz
vor Weihnachten feierte man Richtfest. Im Januar 1951 waren auch die
Innenausbauten weitgehend abgeschlossen. Am 1. März
1951 fand die Eröffnungsfeier statt, konnte das
"Jugend-Europahaus" seiner Bestimmung übergeben werden. Das Gebäude
bestand aus Erdgeschoss und Obergeschoss mit Dachschrägen. Im Erdgeschoss gab
es mehrere Zimmer, eine Küche und einen Wirtschaftsraum. Einer dieser Räume
wurde als Büro und Arbeitszimmer des Leiters, die beiden anderen zur Betreuung
von Kindergruppen bzw. als Lese- und Gesprächsräume für die Jugendlichen
genutzt. Im Dachgeschoss befand sich die Wohnung des Leiters, bestehend aus
einem Wohn- und kleinem Schlafraum sowie einem Lesezimmer. In den Kellerräumen
gab es Waschraum, Toiletten und Dusche. Außerdem befanden sich dort Räume, die
später von wechselnden Interessengruppen genutzt wurden. Zeitgleich mit dem Aufbau
des Hauses wurde an der Ostseite ein ebenerdiger Saal angebaut, der auch als
Tagungsraum für 30 bis 40 Personen diente. Hier war auch der Haupteingang zum
Haus. Als 1958 ein dringend notwendiger weiterer Anbau an der offenen Seite des
Saals erstellt wurde, verlegte man den Eingang zum Haus hierher. Über einen
kleinen Flur gelangte man zuerst zu einem Spielzimmer, dann zu dem in dieses
Gebäudeteil verlegten Büro. Auch die Küche wurde hier neu eingerichtet und ein
Zugang zum Saal geschaffen. Das Obergeschoss des Anbaus bot Gästezimmer, wenn
auch die Sanitäranlagen weiterhin nur im Keller waren. Hier gab es auch zwei
weitere Gruppenräume, einer davon wurde seit den frühen 1960er Jahren als
Fotostudio genutzt.
Die Menschen des Stadtteils schätzten das
im Stil eines Norwegerhauses erbaute "JEH", denn für Kinder und
Jugendliche war es Treffpunkt in einer noch immer düsteren Trümmerlandschaft.
Im Jahre 1959 erweiterte man das Haus und beschäftigte fortan zwei Mitarbeiter.
Nachmittags war Frau Steen für die Kinder zuständig, abends Herr Brahms für die
Jugendlichen (seit April 1964 Herr Schuster). An Tanzabenden spielten Rock- und
Beatbands und über alle Ereignisse informierte die von Heinz Dofflein
herausgegebene Heimzeitung "Punkt". Als Interessengruppenleiter
gründete Gerd Rasquin (22) im Jahre 1966 den ersten Kinderzirkus Deutschlands:
"Circus Blomi", der aber nur in Hamburg auftrat. Von Oktober 1970 bis
Februar 2020 war der spätere Schullehrer auch mit Leistungsgruppen im Horner TV
tätig.
Die letzte größere Veranstaltung auf der
schon recht heruntergekommenen Freilichtbühne fand am 13. September 1959 statt,
als die Erwachsenen des Hamburg-Horner Turnvereins ab 19:30 Uhr ein Schauturnen
veranstalteten. Anfang der 1960er Jahre wurde das Areal dann zu einem Kinderspielplatz
umgestaltet, und an der Nordostecke des Parks entstand 1970 zusätzlich ein
Waldspielplatz. Mit einer Schachecke und Skatplätzen war auch an die
Erwachsenen gedacht worden!
Das Jugend-Europa-Haus wurde 1967 Dänisch-Deutsche Akademie. Nach 16-jähriger erfolgreicher Arbeit
übergab Pastor Karl Nielsen (72) im Mai die Leitung des Hauses an seinen
Landsmann Børge Møllgaard
Madsen (29.5.1920‒1975). Von Januar 1970 bis 1999 war dann Carl Nyholm
Direktor.
Der neben dem Tagungsraum liegende östliche
Bereich wurde 1982 abgebrochen und durch einen großen Neubau ersetzt, den man
am 4. November 1983 festlich einweihen konnte. Bei den Umbauarbeiten war man
übrigens nicht nur auf Backsteinmauern der einstigen Villa gestoßen, sondern
auch auf ihren ehemaligen Brunnen. Der war so tief, dass man nicht bis auf den
Boden hinunterblicken konnte. Er befand sich einst innerhalb der Villa, denn
erst ab 1874 gab es in Horn eine städtische Wasserversorgung. Der Brunnen wurde
seinerzeit aber nicht zugeschüttet, sondern mit einer Betondecke versehen, über
welcher heute der Tagungsraum liegt. Nachdem Dänemark die Akademie im Frühjahr
1999 aus finanziellen Gründen aufgeben musste, wurde Hamburg am 1. Juni
Eigentümer des Objekts, das sich fortan Europa Gästehaus
nannte.
Ehemaliges Gartenhaus - Landkarte von
1826 - Villa Blohm von der Marsch aus gesehen - Remise - Villa 1937 - Hangwiese
Freilichtbühne in den 1950er Jahren -
Jugend-Europa-Haus 1967 (einst Standort der Villa) - Löwe und Eiche im
Spätsommer 2001
An vergangene Zeiten erinnert heute nur
noch weniges: Der Name Blohm, die
Hertogestraße und die den einstigen Parkteich umsäumenden alten Bäume aus der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Neben der wunderschönen Doppel-Blutbuche
auch Horns ältester Baum, eine Eiche mit fast viereinhalb Metern Stammumfang,
die wohl Grundeigentümer Merck 1817 als zehnjähriges Bäumchen setzen ließ. Man
findet sie direkt neben einer Löwen-Plastik, die seit Herbst 1874 bis Juli 1943
zur Freitreppe des Ohlendorff’schen Palais an der Burgstraße in Hamburg-Hamm
gehörte. Doch das ist eine andere Geschichte, nämlich die vom